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Typisch Indonesisch, typisch deutsch?


Heute vor genau drei Jahren haben wir A’an auf Gili Air kennengelernt. Wir merkten gleich, dass zwischen uns vier etwas ganz Besonderes existiert. Deshalb blieben wir in Kontakt und tauschten uns auch aus der Ferne jeden Tag aus. So erfuhren wir immer mehr voneinander und verstanden auch, warum sich A’an zu uns hingezogen fühlt, und was er uns bedeutet. Inzwischen sind wir wie eine deutsch-indonesische Familie, denn ich bin wie eine Mutter für ihn und Anna wie seine jüngere Schwester. Und Jörg schätzt er auch sehr.

Klar, dass Männer und Frauen ohnehin schon unterschiedlich ticken, aber so manches ist eben doch anders bei Indonesiern als bei Deutschen. Es gab so manches Missverständnis und inzwischen, wo wir uns viel besser kennen, können wir auch mal Fünfe gerade sein lassen und den anderen so nehmen, wie er ist oder uns auch bereichern lassen und das Andere bei uns selbst ein bisschen annehmen. Natürlich ist jede Beziehung individuell, deshalb ist unsere Auflistung auch zumeist auf uns (insbesondere A’an und mich) bezogen und liebevoll gemeint.

Zeitangaben

Zu Beginn unserer Beziehung mit A’an war ich oft irritiert, wenn er von gestern sprach, es aber schon eine Woche her war oder morgen einfach ein Ereignis in der sehr nahen Zukunft bedeutet. Mittlerweile weiß ich das „nächstes Mal“ bedeutet, wenn wir uns wiedersehen, also zum Beispiel in einem halben Jahr und „in Zukunft“ ist dann wirklich noch viele Jahre hin. Ja, wir haben ganz untypisch vielleicht für Indonesier schon sehr früh die ersten gemeinsamen Pläne geschmiedet, nur mit dem Unterschied, dass ich fest davon ausging, es würde auch so passieren und er eben nicht. Deshalb sagt er auch sehr oft, „ich hoffe“. Dann ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich denke, sei doch nicht immer so bescheiden.

Zielstrebigkeit

In Indonesien herrscht die Devise „pelan pelan“ (langsam langsam), während bei uns ständig gefragt wird „geht das nicht noch besser bzw. schneller?“ In der Zeit, als A’an seinen ersten Deutschkurs gemacht hat, musste er sich sehr an das Lernen und Hausaufgaben machen gewöhnen. Klar wusste er, dass er am Ende das A1 Zertifikat braucht, um mal länger nach Deutschland kommen zu können. Er betonte jedoch immer wieder, er würde das Beste für mich geben, da ich ihn so nett unterstütze, aber auch weil er mich nicht enttäuschen wollte. Und ich hätte auch gedacht, dass er gut für sich selbst sein möchte. Von seiner Deutschlehrerin wusste ich, dass der Kurs 3,5 Monate dauert. Oh je, dachte ich, so lange. Am Ende hat er sogar die doppelte Zeit gedauert, weil A’an nach der Hälfte wieder von vorn anfangen musste. Sein Kurs war mangels Teilnehmer auseinandergebrochen. Damit musste ich erstmal zurechtkommen, denn wiederholen wird bei uns ja eher als versagen gleichgesetzt. Doch ich denke inzwischen immer öfter, dass alles seinen Sinn hat und manches eben auch seine Zeit braucht. Eher untypisch deutsch.

Respekt vor dem Älteren

In Indonesien ist es üblich, sich das Einverständnis der älteren Person einzuholen, sei es des Onkels oder der Mutter. Auch ich als Wahlmutter werde gefragt, was für mich erst ungewohnt war, denn schließlich war A’an schon zwanzig, als wir uns kennenlernten. Er wollte wissen, ob ich einverstanden bin, wenn er von einem Stadtteil zum anderen zieht, um den Sprachkurs zu machen, oder ob es in Ordnung ist, wenn er sich die Haare abschneidet. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und empfinde es als große Wertschätzung.

Umgang mit Konflikten

Das ist vielleicht sogar der größte Unterschied zwischen Indonesiern und Deutschen. Während ich immer gern alles zu Ende diskutiere und auch am liebsten das letzte Wort hätte, geht A’an Konflikten lieber aus dem Weg. Wenn wir uns im Chat streiten, sagt er zum Beispiel, ich solle mich ausruhen und mir Zeit nehmen. Wenn wir dagegen räumlich zusammen sind und wir hatten eine Meinungsverschiedenheit, legt er sich irgendwo hin und verschanzt sich hinter seinem Handy. Dann ist es am besten, ihn eine Stunde in Ruhe zu lassen und danach mit einem anderen Thema wieder ins Gespräch zu kommen. Was gar nicht geht, ist den anderen zu beschimpfen erst recht nicht in der Öffentlichkeit, denn dann verliert er sein Gesicht. Mittlerweile haben wir einerseits sehr ehrlich über alles gesprochen, und andererseits bin ich auch viel ruhiger und besonnener geworden. Lieber beiße ich mir das eine oder andere Mal auf die Lippen. Dafür hält A’an mir manchmal sehr deutlich den Spiegel vor und sagt seine Meinung.

Umgang mit Geld

Während wir Deutschen das Geld, das wir zur Seite legen können, sparen und immer wieder zielorientiert denken und sogar für das Alter vorsorgen, d.h. sehr weit in die Zukunft denken, sind Indonesier auch in der Hinsicht ganz anders. Entweder man hat Geld, dann gibt man es auch aus oder man muss kürzertreten, sich Geld leihen und einfach auf bessere Zeiten hoffen.

Wir lernen immer weiter voneinander, ich bin viel ruhiger und gelassener geworden, übe nicht mehr so viel Druck aus und denke, dass alles seine Zeit hat. Und A’an hat Ziele vor Augen, und es packt ihn auch schonmal der Ehrgeiz, etwa sein Deutsch zu verbessern. Außerdem nimmt er Lob an und ist manchmal stolz auf sich. Jedenfalls freuen wir uns auf alles, was noch auf uns wartet ...


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Wer sich noch eingehender mit den Sitten und Gebräuchen in Indonesien vertraut machen oder sogar die Sprache lernen möchte, dem empfehlen wir folgende Literatur:

  • Bettina David: KulturSchock Indonesien, REISE KNOW-HOW Verlag

  • Gunda Urban: Kauderwelsch Indonesisch – Wort für Wort, REISE KNOW-HOW Verlag

  • Marjory Linardy: Das kuriose Indonesien Buch. Was Reiseführer verschweigen, S. Fischer Verlag

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