Ich erzähle meiner Chefin, wie beseelt wir uns in Indonesien gefühlt haben, und dass unsere Leidenschaft immer größer wird. Sie findet es toll, dass wir uns so auf Land und Leute einlassen und unseren Freund auf Sicht nach Deutschland einladen wollen. Außerdem staunt sie darüber, was wir uns für das nächste Jahr vorgenommen haben. Vor diesem Hintergrund kann sie meinen Wunsch nach einem Sabbatical sehr gut verstehen, und dass man für unsere Vorhaben natürlich rechtzeitig planen müsse. Sie sind ja mittlerweile auch ziemlich umfangreich geworden: Ich will mit A’an nach Jakarta fliegen und ihm mit dem Visum helfen, Anna wird auf Lombok zur Schule gehen, wir wollen noch mehr von der Kultur erfahren und vielleicht auch mal in einem indonesischen Dorf leben. Ein ganz schönes Päckchen, aber für mehrere Monate machbar, finde ich.
Meine Chefin bittet mich um etwas Zeit, damit sie die Umsetzbarkeit meines Wunsches prüfen kann. Die Wochen vergehen, und ich hoffe so sehr, dass mein Traum in Erfüllung geht.
Diverse Szenarien wirbeln in meinem Kopf hin und her
Als mich meine Chefin nach den Wochen des Abwartens wieder zum Gespräch bittet, klopft mein Herz bis zum Hals. Wir sitzen uns gegenüber, und ich schaue sie erwartungsvoll an, meine Chefin lächelt. In meinem Kopf wirbeln diverse Szenarien hin und her. Wie werde ich mich bedanken, wenn es klappt? Falle ich ihr dann um den Hals? Und was wird aus unseren Plänen mit A‘an, wenn ich eine Absage bekomme? „Du siehst es vielleicht schon an meinem Gesicht“, sagt meine Chefin sehr freundlich, aber irgendetwas in ihrer Stimme klingt falsch, „in diesem Fall kann ich dir das Sabbitacal leider nicht genehmigen, du weißt ja, das große Projekt nächstes Jahr, da wird jede Hand gebraucht, danach das Jahr natürlich gerne.“ Mein Herz stockt für einen Moment, ich fühle mich wie betäubt.
Ich rufe sofort Jörg an, um ihm die Antwort mitzuteilen
Obwohl ich mir den schlechtesten Fall vorher ausgemalt hatte, bin ich jetzt um Haltung bemüht. Böse bin ich meiner Chefin nicht, weil ich weiß, wie sehr sie mein privates Engagement schätzt und auch liebend gern unterstützt hätte. Vielleicht ein wenig trotzig denke ich für einen kurzen Moment: Wir werden unsere Ziele auch ohne Sabbatical erreichen. Ich bedanke mich für das Gespräch und bemühe mich weiterhin um einen neutralen Gesichtsausdruck besonders den anderen Kollegen gegenüber, die von meinem Antrag gar nichts wissen. Mit meinem Handy ziehe ich mich in einen leeren Raum zurück und rufe sofort Jörg an. Auch er ist bei der Arbeit, doch der Kollege sei zum Glück gerade unterwegs, so dass er sprechen könne. „Ich hatte natürlich auch mit einer positiven Antwort gerechnet, aber wir bekommen das schon hin, lass‘ den Kopf nicht hängen“, versucht er mich zu trösten.
Zu Hause erzähle ich Anna von dem Gespräch mit meiner Chefin. Auch sie reagiert enttäuscht. Jetzt versuche ich sie zu trösten und verspreche ihr eine schöne Ferienbetreuung statt der längeren Zeit in Indonesien und setze mich damit noch mehr unter Druck. Tatsächlich brauche ich über eine Woche, um die Absage zu verdauen, denn irgendwie betrachte ich sie doch als persönliche Niederlage, auch wenn das objektiv natürlich falsch ist.
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