Bali ist bekannt für seine vielen Tempel, weshalb man es auch „Insel der Götter“ nennt. Der hinduistische Glaube ist an jeder Ecke präsent: Opfergaben auf den Gehwegen, der Geruch von Räucherstäbchen und kleine Haustempel. Doch Bali bildet religiös die Ausnahme. Der Islam ist in Indonesien die Religion der Mehrheit der Bevölkerung des Landes. 88 Prozent der Indonesier sind Muslime. Mit über 210 Millionen Muslimen ist Indonesien sogar der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit.
Der Islam wurde im 13. Jahrhundert von Sufi Handelsleuten aus Gujarat in Indien nach Indonesien gebracht. Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts hatte der Iѕlаm auf Java und Sumatra den Hіnduіѕmus und Buddhіѕmus als dominierende Rеlіgіоn verdrängt. Bali hielt am Hіnduismus fest, während die östlich liegenden Inseln größtenteils animistisch blieben. Dort änderte sich die vorherrschende Religion im 17. und 18. Jahrhundert, als Missionare das Christentum in die Region brachten.
Unser Freund versucht, sein Bestes zu geben
Wenn man als Westeuropäer von Bali nach Gili Air reist, muss man sich erst noch an den allmorgendlichen Muezzin-Ruf gewöhnen. Unser Freund folgt diesem Ruf und betet mehrmals am Tag. Solange wir auf Lombok sind, bekommen wir seine Gebete gar nicht mit, da er dafür extra nach Hause fährt. Doch nicht immer kann er fünfmal am Tag beten. Als wir zum Beispiel vom Wasserfall kommen und der Muezzin ruft, geht er mit uns im Restaurant essen. A‘an versucht, sein Bestes zu geben, doch würden so viele Vorschriften im Islam existieren, dass es sehr schwer sei, sie alle im täglichen Leben einzuhalten. Auf der Überfahrt von Lombok nach Gili Air hat A‘an auch seine Gebetskleidung und einen kleinen Teppich im Gepäck.
Hinduismus und Islam friedlich nebeneinander
Vor einiger Zeit hat A’an mir von einem deutschen Touristen erzählt, mit dem er sich über Religionen unterhalten hat. Der Deutsche empfand Religion als freiheitsberaubend. Das konnte A’an nicht verstehen, denn für ihn gehört Gott ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Außerdem würde er sich viel freier fühlen, wenn er Gott seine Sorgen im Gebet anvertraut. Freiheit bedeutet für ihn zum Beispiel, andere Länder bereisen zu können. Die Aussage des Deutschen hatte ihn jedenfalls verwirrt. Dafür sei es ihm gar nicht so wichtig, ob man Christ oder Muslim ist. „Wir glauben an den gleichen Gott.“ Deshalb bittet er mich manchmal auch, für seine kranke Tante zu beten, oder er betet auch für unsere Gesundheit. Da er mit Hindus in der Nachbarschaft aufgewachsen ist, weiß er auch ein bisschen über deren Religion Bescheid. Auf Lombok leben Muslims und Hindus friedlich nebeneinander.
Verständnis für die jeweils andere Religion
Ich frage A‘an, was der Muezzin die ganze Zeit ruft und erfahre, dass er immer wieder zum Gebet ruft, jedoch nicht die ganze Zeit gebetet werden muss, denn das Gebet dauert nicht länger als fünf Minuten inklusive vorheriger Waschungen der Hände, Füße und des Gesichts. Ich hätte nicht gedacht, dass die Gebete so kurz sind. Sein Moschee-Besuch am Freitag ist sogar kürzer als unser sonntäglicher Gottesdienst. Und eigentlich sollten wir als Christen ebenfalls mehrmals am Tag beten. Dass das die wenigsten tun, ist eine andere Sache. A’an trägt für das Gebet einen Sarong und ein spezielles Hemd, denn das sei kompletter. Während er singt und Verse spricht, dürfen wir sogar dabei bleiben, was mich sehr berührt.
Mir ist es wichtig, dass auch er unsere Religion besser versteht. Deshalb fordere ich ihn auf, mir Fragen zu unseren Bräuchen zu stellen. Er überlegt kurz und will dann wissen, warum wir in der Kirche nass gemacht werden und wie oft das geschehe. Er bezieht sich auf ein Foto, das bei Annas Taufe als 9-Jährige entstanden ist. Ich erkläre ihm den Ursprung und die Funktion der Taufe, und dass diese nur einmal im Leben vollzogen wird und nicht bei jedem Kirchenbesuch, wie er zuvor dachte. Die Rituale zu Weihnachten hat A’an bisher am Rande mitbekommen, er respektiert und achtet sie sehr.
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