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Abschiedsschmerz



Seit einigen Tagen kursiert das Gerücht, es würden momentan keine Schnellboote fahren, weil auf dem Meer zu hoher Wellengang herrscht. Am Tag vor unserer Abreise nehmen wir Kontakt mit unserem Guide auf Bali auf, der uns auch die Karten für das Schnellboot vermittelt hat. Er braucht eine Weile zur Klärung, dann schickt er uns das offizielle Schreiben der Regierung, in dem unmissverständlich steht, dass auch über unseren Rückreisetermin hinaus keine Schnellboote fahren werden. Das Geld würden wir zumindest zurückbekommen.


Die letzten Stunden zu viert


A’an kümmert sich um den Transfer von Gili Air bis zur Fähre auf Lombok und verspricht, bis dahin mitzukommen. Das ist dann auch der einzige Vorteil, den ich in den veränderten Bedingungen sehe. Da wir nicht genau wissen, wann die Fähre in Lembar auf Lombok ablegt, und uns das auch keiner sagen kann, starten wir unsere Rückreise direkt nach dem Frühstück. Von Gili Air nach Lombok (Bangsal) fahren wir wieder mit dem öffentlichen Boot. Es kommt schon nach kurzer Wartezeit und legt auch zügig wieder ab, da genügend Passagiere zur Nachbarinsel wollen.


Im Hafen von Bangsal greift ein älterer Indonesier nach einem unserer Koffer, Jörg lehnt beherzt ab, da er keinen Kofferträger braucht, doch das hier ist kein anderer als unser Fahrer, den A’an für uns bestellt hat. Mit Sonnenbrille haben wir ihn gar nicht erkannt, und entschuldigen uns bei ihm. Jörg sitzt neben dem Fahrer, Anna und ich dahinter, A’an allein auf der hintersten Bank. Er legt sich Annas Kuscheltieraffen um den Hals und schließt die Augen, als würde er sich schon ganz sacht verabschieden.


Der Zeitpunkt der Trennung rückt näher


Am Hafen von Lembar kaufen wir die Tickets für die Fähre. Wir verabschieden uns von dem Fahrer und A’an hilft uns mit dem Gepäck. Doch dann traue ich meinen Augen nicht. Vor der Einlasskontrolle hat sich eine 50 Meter lange Schlange aus internationalen Touristen gebildet. Das kann ja heiter werden. Die Sonne knallt vom Himmel, nirgendwo gibt es Schatten. A’an macht keine Anstalten, sich zu verabschieden, und auch wir würden es am liebsten noch hinauszögern. Doch der Fahrer wartet draußen auf ihn, und irgendwann kommt nun mal die Stunde der Wahrheit. Mein Herz zieht sich zusammen, trotzdem sage ich ihm, dass wir ohnehin lange warten müssten und wir uns deshalb auch jetzt verabschieden könnten. Seine Miene wirkt neutral, und auch Anna schluckt ihre Tränen herunter. Nacheinander umarmt er uns zum Abschied und geht. Ganz so, als würden wir uns morgen wiedersehen. Als er nicht mehr zu sehen ist, kommen mir die Tränen, ich schluchze unüberhörbar, und es ist mir egal, dass alle um mich herum es mitbekommen.


Zum Glück weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wir noch zehn Stunden bis Bali brauchen werden und dort erst um zwei Uhr morgens ankommen. Denn der Hafen von Padangbai hat nur zwei Liegeplätze. Auch erfahre ich erst eine Woche später von A’an, dass er selbst ebenfalls bitterlich im Auto des Fahrers geweint hat. Wieder werden wir für ein Jahr getrennt sein, doch dieses Mal haben wir einen Plan und einen unterschriebenen Au Pair-Vertrag. Wir haben die Hoffnung, dass sich die Dinge erfüllen, an die man wirklich glaubt, trotzdem sind die Abschiedsschmerzen kaum zu ertragen.


Wie werden wir die Sehnsucht überstehen? In unserem nächsten Beitrag erzählen wir euch, welche Orte in Hamburg uns ein wenig trösten …

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