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Im Deutschkurs auf Lombok würde ich gern Mäuschen spielen

Aktualisiert: 18. Okt. 2020


Seitdem A’an Deutsch lernt, tausche ich mich mehrmals pro Woche mit Novy, seiner Lehrerin, aus. Es macht Spaß, die Fortschritte zu verfolgen, und ich staune, was sie schon alles in den ersten Wochen lernen: Zahlen, Uhrzeiten, Verben konjugieren und vieles mehr. Dafür, dass die Schüler keine Vorkenntnisse haben, werden sie ganz schön gefordert.


Statt uns zu schreiben, sprechen Novy und ich heute zum ersten Mal per Video-Call. Die junge Indonesierin sitzt unter einem Bambusdach bei sich zu Hause, ihre kleine Tochter turnt um sie herum. Ich schaue zweimal hin und bemerke, dass Novy gar kein Kopftuch aufhat. Es rührt mich, dass ich sie so sehen darf, als wäre ich wahrhaftig bei ihr zu Hause.


Wie eine gute Therapie gegen das Erdbeben-Trauma


A’an macht sich gut, sagt sie, er kann schon seinen Tagesablauf auf Deutsch erzählen. Als sie mich auf Indonesisch fragt, wie es mir geht: „Apa kabar?“, kann ich immerhin sagen, dass es mir gut geht, "kabar baik". Natürlich seien sie alle noch durch das Erdbeben traumatisiert, doch der Unterricht sei auch eine gute Ablenkung. „Ich bin sehr froh, dass ich meinen Schülern wieder Deutsch beibringen kann“, sagt Novy mit einem Lächeln, und ich nehme ihr die Erleichterung sofort ab.


Da würde ich gern mal Mäuschen spielen und mich so klein machen, dass ich mich verstecken und heimlich den Unterricht beobachten könnte. Dabei geht es mir gar nicht um Kontrolle, sondern darum, meine Neugier zu stillen. Als studierte Germanistin liebe ich es, mich mit Sprache zu beschäftigen, und manchmal würde ich A’an am liebsten selbst unterrichten. Aber ich weiß natürlich auch, dass der Job einer richtigen Lehrerin kein leichter ist. Novy freut sich jedenfalls über mein Interesse und verspricht, bald das erste Video zu schicken. Bis jetzt zögert A’an noch, weil er denkt, er sei nicht gut genug, und er möchte unbedingt, dass ich als "seine mom" mit ihm zufrieden bin.


Ich spüre seine Leidenschaft für unsere Sprache


Später am Tag schicke ich A’an Sprachnachrichten, weil er so gern unsere Aussprache richtig können möchte. Dreimal nimmt er den Satz auf: „Ich mag gerne Deutsch sprechen.“ Es klingt noch etwas bemüht, doch auch schon ganz schön Deutsch. Natürlich lachen wir auch zwischendurch, denn das gehört zum Lernen dazu. Bevor er schlafen geht, schicke ich ihm noch den Satz: „Wir freuen uns auf dich in Deutschland.“ Diesen Satz spricht er so schön, dass ich seine Leidenschaft für unser Land und unsere Sprache spüren kann.


Nach dem Erdbeben sind auch viele offizielle Gebäude wie die Post zerstört, doch wo landet jetzt unser Paket für A’an, das wir kurz nach unserem gemeinsamen Urlaub losgeschickt haben? Mehr dazu im nächsten Beitrag …

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